Sparpolitik gefährdet die Pflegeausbildung
Diakonie Stiftung Salem kritisiert geplante Kürzung der Investitionskostenförderung für Pflegeschulen in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen fehlen nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft rund 9.000 Pflegekräfte. Ein akuter Fachkräftemangel, der sich aufgrund des demografischen Wandels in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Dass die NRW-Landesregierung im aktuellen Haushaltsplan die Investitionskostenförderung für Pflegeschulen von 7 auf 2,2 Millionen Euro drastisch reduzieren will, stößt deshalb bei den Verantwortlichen der Diakonie Stiftung Salem auf Unverständnis. Mit der Evangelischen Pflegeakademie betreibt die Mindener Diakonie eine der modernsten Pflegeschulen in ganz NRW.
„In den letzten Jahren haben wir die Ausbildungskapazitäten deutlich erweitert. Unsere Kurse sind voll belegt“, erzählt Akademie-Leiterin Ursula Kocs. Unter anderem mit einem der innovativsten Skills Labs in Deutschland sorgt die Diakonie Stiftung Salem dafür, dass Jahr für Jahr etliche gut ausgebildete Pflegekräfte in den Beruf starten können. „Für die Landesregierung, die bisher wenige Maßnahmen zur Eindämmung des Fachkräftemangels in der Pflege präsentiert hat, müsste diese Pflegeschule eigentlich ein Vorzeigeprojekt sein. Doch genau hier setzt die Politik jetzt den Rotstift an“, kritisiert Christian Schultz, kaufmännischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem.
Einer, der von den geplanten Kürzungen direkt betroffen wäre, ist Simon Siemens. Er absolviert derzeit seine Ausbildung zur Pflegefachkraft an der Evangelischen Pflegeakademie und befürchtet, dass unter den Sparmaßnahmen auch die Qualität der Ausbildung leiden könnte. „Wir haben hier eine moderne Ausstattung und viel Platz zum Lernen. Aber das muss natürlich auch finanziert werden“, sagt der Auszubildende. Was die Streichung der Investitionskostenzuschüsse bedeutet, macht Christian Schultz mit einem Blick auf die Zahlen klar. Für das Jahr 2024 wurden der Evangelischen Pflegeakademie 40.000 Euro aus dem Fördertopf bewilligt. Damit decken die ausgeschütteten Mittel rund 28 Prozent der jährlichen Investitionskosten ab. „Das ist, lapidar gesagt, ein ganzer Batzen Geld“, so Christian Schultz. Dabei macht die Nettokaltmiete den weitaus größten Teil der Investitionskosten aus. Dieser dürfte aber bei vergleichbaren Objekten anderer Träger, insbesondere in Metropolregionen, kaum geringer ausfallen.
Die Zahlen zeigen aber auch: Schon bisher haben die Ansprüche aus dem Investitionsprogramm für Pflegeschulen den laufenden Investitionsbedarf nicht gedeckt. „Statt hier nachzubessern und Pflegeschulen für die Zukunft gut aufzustellen, legt die Landesregierung die Axt an die Zukunft der Pflegeausbildung an“, sagt Thomas Lunkenheimer, theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem. Im Bundesvergleich haben Pflegeschulen in NRW schon seit Jahren das Nachsehen. Bislang erstattete das Land Pflegeschulen durchschnittlich 20 Prozent ihrer Mietkosten, während beispielsweise Hamburg bis zu 100 Prozent dieser Kosten übernimmt. Dabei stehe der Bildungsbereich insgesamt vor einer großen Transformation, etwa durch KI und daraus resultierenden Innovationen, wie Dr. Christin Henrichs erklärt, die als Leitung der Evangelischen Pflegeakademie den Bereich Organisations- und Geschäftsentwicklung verantwortet. „Wir müssen Zeit und Ressourcen in dieses Feld stecken und in die Zukunft von Bildung investieren. Wenn man außerdem die strukturellen Entwicklungen im Bereich der Pflege der nächsten Jahre berücksichtigt, kommt da ein enormer Druck auf uns zu – noch können wir mitgestalten“ so Dr. Christin Henrichs.
Erst 2021 hatte die Landesregierung das Investitionsprogramm für Pflegeschulen aufgelegt, um die Ungleichbehandlung von Pflegeschulen in unterschiedlicher Trägerschaft zu beenden. Pflegeschulen, die nicht an ein Krankenhaus angebunden sind, konnten damit eine jährliche Pauschale von 189 Euro pro besetztem Ausbildungsplatz erhalten. Geld, das für Investitionen zur Errichtung von Pflegeschulen, Mieten und Anlagegütern verwendet werden sollte. „Die Förderung hat den Ausbildungsträgern eine Basis für eine zukunftsorientierte Ausrichtung gegeben. Mit den vorgesehenen Kürzungen zementiert die Landesregierung aber nicht nur die Ungleichbehandlung, sie gefährdet die Zukunft der Pflegeausbildung grundsätzlich und kapituliert vor dem wachsenden Bedarf an Fachkräften“, betont Thomas Lunkenheimer. Auch deshalb wurden die Pläne auf breiter Front kritisiert. „Wir als Träger können auf die Kürzungen nur mit Wut und Unverständnis reagieren. Sollte es bei dieser Entscheidung bleiben, wäre das für die Landesregierung ein Armutszeugnis“, ergänzt Christian Schultz.