Gesicht zeigen

Gehörlosenberatung in der Corona-Krise
Gehörlosenberater Ralf Isermann (r.) und Wilfried Lübeck (l.) nutzen im Gespräch Gesichtsmasken mit transparentem Sichtfenster.

Aufgrund der Corona-Krise sind Gesichtsmasken in vielen Lebenslagen vorgeschrieben. Hörgeschädigte Menschen stellt das vor große Probleme.

Gesichtsmasken sind in der Corona-Krise ein alltägliches Bild. Beim Einkaufen oder im öffentlichen Nahverkehr müssen Mund-Nase-Bedeckungen derzeit verpflichtend getragen werden. Während der Stoff vor dem Gesicht für die meisten Menschen vor allem ungewohnt ist, stellen die Gesichtsmasken gehörlose Menschen vor große Herausforderungen: Weil die Maske Lippenbewegungen verdeckt und die Mimik verändert, können sie sich im Alltag nur noch schwer verständigen.

„Gehörlose Menschen kommunizieren untereinander in aller Regel in der Gebärdensprache. Diese setzt sich zusammen aus den eigentlichen Gebärden, die mit den Händen auf Brusthöhe geformt werden, dem Mundbild, also der entsprechenden Formgebung durch die Lippen und der Mimik durch die Gesichtsmuskeln und insbesondere dem Ausdruck der Augen“, erklärt Ralf Isermann, Berater für gehörlose und hörgeschädigte Menschen bei der Diakonie Stiftung Salem. Durch Gesichtsmasken, die Lippen und die untere Gesichtshälfte verdecken, werden die Möglichkeiten der Gebärdensprache also stark eingeschränkt. „Wenn sich sonst jemand abwendet oder einen Vollbart trägt, ist es für Menschen, die auf das Mundbild angewiesen sind, schon schwer genug. Eine komplett geschlossene Maske schafft ein dauerhaftes Kommunikationshemmnis“, so Ralf Isermann. Auch Stimmungen können mit verdeckter Mund-Nasen-Partie kaum noch gedeutet werden. Ob ein Gegenüber lächelt oder doch genervt den Mund verzieht, bleibt unter der Gesichtsmaske verborgen. „Das führt schnell zu Verunsicherung und zusätzlichen Missverständnissen. Es bleibt ein ungutes Gefühl“, so Ralf Isermann.

Um hörgeschädigten Menschen die Kommunikation zu erleichtern und das Mundbild sichtbar zu machen, setzt die Diakonie Stiftung Salem darum auf Gesichtsmasken mit transparentem Fenster. In die Stoffmasken ist auf Höhe der Mundpartie eine durchsichtige Folie eingenäht. Auch wenn die Folie durch die Atmung leicht beschlägt, sind Lippenbewegungen mit den Masken gut zu sehen. „Eine sehr vertrauensbildende Maßnahme, die im Übrigen auch bei hörenden Teilnehmern einer Gesprächsrunde oftmals als sehr sympathisch bewertet und empfunden wird“, sagt Ralf Isermann.

In seinem Büro hat Ralf Isermann für Beratungsgespräch jetzt immer einige Masken mit Sichtfenster griffbereit. Bei den Masken handelt es sich um Alltagsmasken ohne Schutzzertifizierung. Zur Desinfektion werden sie einfach in einem Topf mit Wasser aufgekocht. In die Waschmaschine dürfen die Masken aufgrund des Kunststoff-Fensters nicht. Zusätzlich setzt die Beratungsstelle auf Face-Shields. Die stabilen Plastikbarrieren können ganz einfach über eine Schirmmütze geschoben werden.

Auch wenn Masken mit Sichtfenster im Alltag noch lange nicht verbreitet sind und hörgeschädigte Menschen zum Beispiel beim Einkauf weiterhin vor Kommunikationsproblemen stehen, ist Ralf Isermann davon überzeugt, dass die neuen Masken vieles erleichtern. In der Beratung oder im Gespräch mit anderen Hörgeschädigten gewinnen gehörlose Menschen damit ein großes Stück Kommunikationsfähigkeit zurück.

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