Diakonie vor Ort ist kirchliches Leben

Eine Entgegnung auf den Aufsatz von Günter Thomas, Wo ereignet sich Diakonie? Oder: Unternehmerische Diakonie als problemschaffende Lösung

Von Thomas Lunkenheimer, Pfarrer und Theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem in Minden

Günter Thomas will der Kirche die Augen öffnen für das großartige Engagement der vielen „anonymen Diakoniker“. Das ist ehrenwert und ein wichtiges Anliegen. Dass dies innerhalb der evangelischen Kirche keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt offensichtlich, wie weit sich die Kirche von den Menschen, die ihr angehören, entfernt hat.

Diese kirchliche Fehlentwicklung allerdings der institutionellen Diakonie und ihren Mitarbeitenden anzulasten, erscheint mir unfair. Mir fehlt sicher der universitäre Überblick, doch für die kleine diakonische Welt der Diakonie Stiftung Salem in Minden mit ihren rund 3.100 Mitarbeitenden mit und ohne Behinderung kann ich sagen, dass bei uns christliche Nächstenliebe gelebt wird und wir diese nicht „als Plakat“ vor uns her tragen.

Mir leuchtet nicht ein, warum die Würdigung der nicht institutionellen Diakonie mit einer Infragestellung der christlichen Motivation der Mitarbeitenden diakonischer Einrichtungen einhergehen muss. Ich bin ja ganz bei Thomas, dass Diakonie sehr vielfältig ist und nicht einseitig betrachtet werden darf. Dass die Kirche hier auf einem Auge blind zu sein scheint, mag ja auch daran liegen, dass kirchliche Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber bei der institutionellen Diakonie Einflussmöglichkeiten sehen, die sie bei den eigeninitiativ tätigen Diakonikerinnen und Diakonikern nicht haben. Dass sich die Kirche von unten aufbaut, wird in der Kirche gerne vergessen, wenn Machtinteressen ins Spiel kommen, die allerdings in der Regel nicht offen kommuniziert werden, weil es in der Kirche ja um „Glaube, Hoffnung und Liebe“ und nicht um „Macht“ geht. Aber dies ist ein Problem der Kirche und nicht der diakonischen Einrichtungen.

Ein weiterer Aspekt bleibt bei Thomas völlig unberücksichtigt. Viele der hauptamtlichen Mitarbeitenden der Diakonie sind zugleich „Alltagsheilige“, wie Thomas sie nennt. Neben ihrem Beruf, den der allergrößte Teil als Berufung versteht, engagieren sie sich in Kirchengemeinden und Vereinen, pflegen zuhause Angehörige, engagieren sich für Flüchtlinge usw. Dies kann man doch denjenigen nicht absprechen, die in einer diakonischen Einrichtung arbeiten. Dass dies auch viele andere tun, die nicht bei der Diakonie arbeiten, ist wunderbar und soll wertgeschätzt werden. Doch weder die einen noch die anderen „Alltagsheiligen“ haben einen Exlusivitätsanspruch, das richtige zu tun.

Die westfälische Kirche plante nach der Corona-Pandemie ein Bußwort zu verfassen, weil man die Menschen in den Heimen allein gelassen habe. Ich habe den für Minden zuständigen Landeskirchenrat damals gebeten, bei diesem Bußwort ausdrücklich die Pflegeheime der Diakonie Stiftung Salem auszunehmen. Denn in unseren Häusern haben sich viele hundert Mitarbeitende über die Grenzen der seelischen und physischen Erschöpfung hinaus dafür eingesetzt, dass niemand allein gelassen wurde, dass Menschen neben der qualifizierten Pflege umarmt und getröstet wurden, dass sie geistlichen Zuspruch und Ermutigung im Glauben gefunden haben. Dafür musste kein Pfarrer und keine Pfarrerin unsere Häuser betreten. Einige Gemeindepfarrerinnen haben uns auf wunderbare Weise unterstützt, indem sie ermutigende Texte, Andachten und Predigten vorbereitet haben, die unsere Kolleginnen und Kollegen in den Heimen dann in selbst organisierten Gottesdiensten und seelsorglichen Einzelgesprächen genutzt haben, um zu heilen, so wie Jesus es seiner Kirche aufgetragen hat. Zählt all das nicht, weil die Mitarbeitenden ja weiter ihr Gehalt bezogen haben?

Ich bin froh und dankbar, meinen Dienst als Pfarrer in einer diakonischen Einrichtung leisten zu dürfen, die sich Tag für Tag darum müht, ihre Mission zu leben. So kommen bei uns täglich rund 6.000 Menschen mit dem Evangelium von der Menschenfreundlichkeit Gottes in Kontakt. Dass dies allerdings von der Kirche über Gebühr wertgeschätzt wird und Beachtung findet, kann ich nicht feststellen. Und ein „überbordendes Selbstbewußtsein“ lasse ich meinen Mitarbeitenden und mir auch nicht vorwerfen. Wir sind genauso Kirche wie die „anonymen Diakoniker“ an anderer Stelle auch und auch wie diejenigen, die sich mit diakonischem Engagement insgesamt schwertun. Nicht umsonst sieht Barmen III uns alle als „Kirche der begnadigten Sünder“. Und wenn wir es so sehen, muss sich niemand auf Kosten anderer profilieren.

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